Reise zum inneren Kind

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Ich hole mein kleines Ich zurück in die Gegenwart.

Auch wer selbst keine Kinder hat, kann sich vielleicht doch so fühlen, als wäre eines da. Wenn du nämlich plötzlich deinem inneren Kind begegnest. Davon, und wie es sich angefühlt hat, erzählt euch Pauseline hier. Zum Lesen und Hören.

Ich schickte meinen Geist auf die Reise. Dann hab ich plötzlich diese Gestalt wahrgenommen. Sie war ganz für sich und stand irgendwie hilflos da. Es sah so aus, als wäre sie abgeschnitten von der Außenwelt und als starrte sie ins Leere. Aber da war etwas, auf das sie starrte. Ich glaube ich konnte Menschen erkennen, die sehr mit sich beschäftigt schienen. Laut und unruhig war es da. Und sie nahmen die Gestalt des kleinen Mädchens nicht wahr. Das Mädchen schien mich auch nicht wahrzunehmen.

Erst als ich mehr und mehr in ihre Welt einzutauchen versuchte, schien sich eine Verbindung zu entwickeln, eine zarte. Ich blieb ihr zugewandt und versuchte zu verstehen was in ihr vorging. Ich spürte diese Ohnmacht, Hilflosigkeit und Leere, irgendwie nichts tun zu können, als zuzuschauen, was die anderen da machen. Ich empfand, dass sich die Kleine sehr allein fühlte. Irgendwie auf verlorenem Posten. So machte auch das Spielen draußen keinen Spaß, wenn sich eh niemand dafür interessierte, was sie gerade machte. Außerdem hatte sie Angst, wenn sie beim Spielen die Welt um sich herum vergessen würde, dass plötzlich nicht mehr alles so sein würde, wie es vorher war, wenn sie nach Hause zurückkommt. Vielleicht sind dann ja plötzlich alle weg oder etwas Schlimmes ist passiert. Also musste sie immer wieder aufpassen. Müde wirkte sie, sehr müde.

Ich hatte das Bedürfnis, zu dem kleinen Mädchen hinzugehen. Ich fragte sie: „Hey, ich sehe, dass es dir nicht so gut geht. Ich helfe dir und bin für dich da“. Das Mädchen hatte einen niedergeschlagenen Blick, nahm mich aber wahr und wandte sich mir zaghaft zu. Es schien noch sehr vorsichtig zu sein und mir noch nicht ganz zu vertrauen. So schaute es mich nur an und wartete ab. Ich sah Schmerz in ihr drin, und fühlte so ein starkes Band zu ihr, so eine Verbundenheit und Liebe. So sprach ich weiter zu ihr. „Du liebe Kleine, du hast ganz schön was mitgemacht, keiner hat dich irgendwie wirklich wahrgenommen und verstanden, und du hast nicht das bekommen, was du gebraucht hast. Doch weißt du was? Das ist jetzt vorbei! Die Leute da, die braucht es gar nicht mehr. Ich bin jetzt da für dich! Ich bin gekommen, um dich abzuholen und um mich um dich zu kümmern. Ich bin jetzt da, und ich bleibe, ich gehe nicht mehr weg. Du kannst dich ausruhen bei mir, was leckeres essen, oder spielen gehen, alles was du gerade brauchst. Ich kümmere mich um den ganzen Erwachsenen-Kram, spiele gerne was und such dir was Schönes aus!“

Das Gesicht des Mädchens begann sich etwas zu verändern, es wandte sich mir mehr zu. Ihr Blick wurde offener und ihr Gesicht ein wenig heller. Sie blickte mich etwas schüchtern an, ich meinte ein kleines Lächeln zu entdecken. Ich merkte, dass sie noch verunsichert war, aber zugleich nahm ich einen Anflug von Erleichterung auf ihrem Gesicht wahr. Sie sprach leise zu mir: „Ich bin müde“. „Ja liebe Kleine, ich weiß“, entgegnete ich ihr und ging in die Hocke, um ihr direkt in die Augen schauen zu können. „Und jetzt kannst du dich ausruhen. Du musst gar nichts machen. Magst du dich bei mir ausruhen?“, fragte ich sie und öffnete meine Arme mit einer sanften Bewegung in ihre Richtung, um sie einzuladen, zu mir herzukommen. „Du darfst es dir schön machen bei mir und ich verspreche dir, dass ich mich um dich kümmere. Ich bleibe da und sorge für dich“, versicherte ich dem Mädchen. Die Kleine drehte sich nun mehr zu mir hin. Ich streckte eine Hand vorsichtig zu ihr hin. „Magst du mal zu mir kommen?“

Langsam streckte jetzt auch das kleine blonde Mädchen seine Hand zu mir aus. Ich umfasste sie sanft und mir wurde ganz warm, als ich die kleine Kinderhand mit meiner Hand verbunden spürte. Ich spürte, dass sich etwas in meinem Bauch tat, so als würde der Bauch nach innen gehen und etwas in sich aufnehmen wollen. Auch im Brustraum nahm ich etwas Ähnliches wahr.

Ich merkte, wie die Gestalt des Mädchens immer mehr Farbe annahm, ja, die Farben ihrer Kleidung und ihrer Haut wurden kräftiger, und ein zartes, weiß-gelbliches Licht umgab sie. Ich spürte, dass die Kleine mir anfing zu vertrauen. Und so näherte ich mich ihr jetzt, nahm sie behutsam in meine Arme, und strich ihr über den Rücken. „Jetzt ist alles gut. Du brauchst keine Sorgen mehr zu haben. Du bist ganz in Sicherheit. Ich kümmere mich um dich, und wir machen es uns richtig schön.“ Die Kleine erwiderte meine Umarmung und vertraute sich mir an. Sie wurde nun immer mehr zu einer Lichtgestalt, eine weiß-transparente Erscheinung mit gold-gelben Lichtpunkten. Auch ich selbst nahm eine solche Gestalt an, leuchtend und nun fest verbunden mit dem kleinen Mädchen. In mir fühlte es sich an, als wäre etwas verloren gegangenes zu mir zurückgekommen. Ich fühlte mich ganz, und zugleich wie eine Mama mit einem Kind im Bauch (so stelle ich mir das zumindest vor). Etwas ist in mich reingekommen, und wieder zog sich mein Bauch leicht zusammen.

„Bleibst du jetzt bei mir?“ fragte die Kleine. „Liebe Kleine, ich hab dich so vermisst, wir sind jetzt zusammen und so bleibt es. Weißt du was? Wir machen eine kleine Auszeit zusammen – nur du und ich. Ich bin so gespannt, was du mir alles zu erzählen hast, und was du gerne spielst und so. Ich möchte dir zuschauen beim Spielen und selber mit dir spielen.“ Und meine erste Amtshandlung war, einen Abendtermin abzusagen und mich ganz mir und meiner Kleinen zuzuwenden. „Schokoladeneis!“ ploppte plötzlich als Wort und Bild in meinem Geist auf. Eine spontane Lust auf cremiges Schokoladeneis überkam mich. Oder die Kleine? Ich war mir nicht sicher. Egal, ich kaufte das Eis und es schmeckte uns beiden sehr.

Bilder: Geralt, pixabay.com, Genty, pixabay.com. Zeichnung: Pauseline

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